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Liebt mich!

Eine Zarah-Leander-Beleuchtung

Regie: Lisa Augustinowski
Spiel: Ute Kotte, Claas Hoffmann
Bühne: Christof von Büren
Ausstattung / Figuren: Büren/ Lenz
Kostüme: Anke Lenz
Wiederaufnahme : 29.06.13
Beschreibung: Dem Phänomen Zarah Leander spürt die Inszenierung in einer schwarzhumorigen Gratwanderung zwischen Fakten und Fiktionen nach. Dabei kommt zum Einsatz: ein deutsches Ehepaar und ein deutsches Sofa, ein schwedisches Toilettenhäuschen, Hitler und Goebbels (als Handpuppen), profilierte Zeitzeugen, eine neurotische Fliege ... Es wird gefühlvoll gesungen und unter dem Einfluss eines deutschen Instrumentes geschunkelt.

Ein paar Hintergründe zur Inszenierung: ADOLF HITLER Eine Viertelstunde später kommt ein Adjutant zu mir, marschiert auf mich zu und verkündet: „Der Führer und Reichskanzler wünscht, dass, Sie, gnädige Frau, an seinem Tisch erscheinen.“ … Ich schlage einen freundlich interessierten Ton an und lächle mütterlich. „Sagen Sie, Herr Reichskanzler, haben Sie eigentlich je versucht, etwas mit Ihrem Haar zu machen?“ …- … „Sie ahnen nicht, was ich schon alles versucht habe, ich habe es mit Öl, Pomade, Haarwachs und allen möglichen komischen Tinkturen versucht. Doch nichts hilft. Die Haare fallen mir immer wieder in die Stirn. Es ist einfach hoffnungslos.“ (1) BRILLE Ich sage immer, dass ich ohne Brille kaum 40 Zentimeter weit sehen kann. … Das ist nicht exakt. Jetzt weiß ich genau Bescheid. Meine Sehweite beträgt 18 Millimeter, weder mehr noch weniger. Am Rande meines Gesichtsfeldes, 18 Millimeter von mir entfernt, sind die Spitzen meiner angeklebten Wimpern. Näher kann man sich selbst nicht kommen. ….Habe ich die Brille auf der Nase, sehe ich manchmal mehr, als ich sehen will. (1) FILMROLLEN …dass ich auf der Leinwand fast alle Arten und Abarten berufsmäßiger Sängerinnen darzustellen hatte. …Die Leander hat im Grund nie verschiedene Rollen, sondern nur verschiedene Toiletten gespielt. (1) GAGE Kurz zuvor hatte ich ein Interview mit ihm gelesen, worin er einen raffinierten Trick für ein Engagement verraten hatte: man sollte stets das Doppelte von dem verlangen, was geboten werde… (1) GRETA GARBO Die ganze Filmwelt hatte einen Garbo-Komplex … dieser Komplex war nicht geringer geworden nachdem die einzige Europäerin von Format mit einem gut Teil der Anziehungskraft, dem Reiz und der Ausstrahlung einer Garbo der UFA zugunsten der USA den Rücken gekehrt hatte. Sie hieß Marlene Dietrich. (1) JOFEPH GOEBBELS Goebbels war ein interessanter Mann. Er hatte sehr viel Humor und Verständnis. Was er sonst gemacht hat, ist nicht meine Sache. KOMMUNISMUS …dass die Leander vor ihrer Kariere bei den Nazis in Deutschland Widerstandssongs in Schweden sang… sie war eine Gestalt des politischen Widerstands. <5> KONZERTLAGER Der Volksmund prägte die verharmlosende Formel “Konzertlager“. (4) KRIEG In Berlin blieb mir das Glück bis zum letzten Augenblick hold. Freilich war unsere Villa in Schutt und Asche versunken; Papiere, Kleidung und Schmuck waren verbrannt. Aber alle ausgelagerten, Teppiche, Möbel und Kunstwerke hatte ich nach Schweden schaffen können. (1) KUNST Er wollte Zarah Leander nicht nur zur Operettendiva, sondern auch zur Tragödin und Vollblutkomödiantin machen. Dass er seine Pläne nicht durchführen konnte, lag nicht an ihm, sondern daran, dass sie sich mehr für den finanziellen Erfolg als für den künstlerischen interessierte…. was mich antrieb, war nicht allein der Wunsch nach Geld, sondern ebenso sehr Selbsterhaltungstrieb, der Cleverness täuschend ähnlich sah: Ich ahnte mit ziemlicher Sicherheit, wo meine Grenzen waren. Sich innerhalb dieser Grenzen zu bewegen, war am sichersten. …dass ich nie behauptet habe, Schauspielerin zu sein. Der bloße Gedanke, ich könnte Tragödie spielen, ist schon lächerlich. (1) LIEBESBRIEFE AN ADOLF HITLER Tatsächlich sind in der Zeit des Nationalsozialismus tausende Liebesbriefe von deutschen Frauen an Hitler geschrieben worden, denen u.a. auch selbstgebackene Kuchen, Heiratsanträge oder Denunziationsschreiben beigefügt waren. Einige der Briefschreiberinnen bezahlten ihre exzessive Verehrung des Führers mit ihrem Leben. Sie endeten in Psychiatrien oder Konzentrationslagern. s.a. (2) MUSEUM Im Zarah-Leander-Museum in Potsdam können persönliche Gegenstände (z.B. die legendäre Gagentasche) des UFA-Stars besichtigt werden. Und auch heute noch finden sich Verehrer und Bewunderer, die energisch daran arbeiten, Erinnerungen an Zarah Leander gegen jegliche kritischen Anmerkungen abzuschirmen. PLUMPSKLO Auf allgemeinen Wunsch werde ich die wahre Geschichte “des großen Sprungs” vom Plumpsklo auf dem Pfarrhof in Risinge …zur wundersamen Welt des Theaters erzählen. (1) POLITIK Während Zarah Leander zur Diva aufstieg, mussten jüdische Künstler aus ihrem Umfeld vor den Nazis fliehen: Regisseure und Schauspieler wie Billy Wilder, Peter Lorre, Max Ophüls. Dann kehrten auch Ralph Benatzky …und ihr Regisseur DETLEF VON SIERCK wegen ihrer jüdischen Ehefrauen der Diktatur den Rücken. Homosexuelle, unter denen Zarah Leander viele Freunde hatte, wurden wie Staatsfeinde verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. Auch BRUNO BALZ, Textdichter ihrer größten Erfolge, verbrachte mehrere Wochen in Gestapo-Haft. (5) Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen? Ich bin fast froh darüber, dass man mir das Etikett „politischer Idiot’” aufgeklebt hat. (1) SCHLAGER Ihre Lieder trafen in vielerlei Hinsicht den Nerv der Zeit. Ein ehemaliger KZ-Insasse berichtete, dass der Leander-Schlager “Davon geht die Welt nicht unter” zur tröstenden Melodie im Lagerleben wurde. Somit sprach sie mit ihren größten Hits allen aus der Seele - den Verfolgten des NS-Regimes, … und den Machthabern, die solche Lieder als Durchhalteparolen einsetzten. 5 SCHWEDEN Sobald ich <1943> aus Deutschland heimgekommen war, begann man Unrat über mich auszuschütten. Ich war völlig unvorbereitet. Der Unschuldige ist ja nie auf Anklagen vorbereitet, und ich kehrte nicht heim in die Freiheit, sondern in den Hausarrest. Weder als Bürgerin noch als Künstlerin besaß ich das Vertrauen meiner Mitbürger. (1) STAR Carl Opitz und seine Leute waren dabei, mir einen ‘Elfenbeinturm’ zu zimmern. Hoch oben sollte ich thronen, unerreichbar und daher unbegreiflich. So hoch über dem Publikum sollte ich mich befinden, dass man mich deutlich als den “Star” erkennen konnte, der ich war, jedoch nicht so deutlich, dass der gemeine Mann nicht selber, je nach Wunsch, Einzelheiten hinzudichten konnte.” (1) “Wenn Sie etwas einkaufen wollen, wird die Presseabteilung den Besitzer des Geschäftes anrufen und ihn bitten, den Laden zu schließen, während Sie Ihre Besorgungen erledigen … Zarah, Sie sind ein Star, Sie können nicht einfach durch die Straßen spazieren.” <5> u.a. verwendete Literatur 1 Leander, Zarah: Es war so wunderbar! Mein Leben. (Autobiographie) 2 Liebesbriefe an Adolf Hitler -Briefe in den Tod 3 Jary, Micaela: Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen. Das Leben der Zarah Leander. 4 Schmitz-Berning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus 5 Knopp, Guido: Hitlers Frauen (Dokumentarfilm)